Bonaire ist eine kleine Insel, zugehörig den niederländischen Antillen. Sie liegt ca. 90 km nördlich vor Venezuela in der Nähe von Aruba und Curacao.
Wir lernten sie vor Jahren als Insidertip unter Tauchern kennen und lieben. Zunächst begeistert von der Unterwasserfauna und –flora , begann jedoch die Kargheit und Klarheit der Insel sich vor uns, in uns zu entfalten, und mit ihr die Ruhe.
DIE INSEL
Es sind Bilder, die Zeit brauchen. Zeit zum Werden und zum Wirkenlassen.
Schwierig abzuschätzen, wieviel man über Bonaire und die Geschichte der kleinen Insel wissen muss, um die Bilder verstehen zu können.
Wieviel ich von meinem Erleben erzählen sollte, damit andere sie lesen können.
Ist es nicht besser, sie wortlos sich entfalten zu lassen?
Ist es nicht gerade das Unsagbare gewesen, was mich so fasziniert hat? Das Karge und Grelle, Klare, die Präsenz gelebten Lebens in der Leere.
In der Stille der verfallenden Räume lag Dichte, Tiefe und Leichtigkeit; die Flüchtigkeit des durchziehenden Windhauches und Ahnung des Sturms. Flüsternde Schatten und ein Licht, das die Dimension dieser Raumfluchten in noch viel fernere erweiterte.
(Dieses Licht tröstet über unsagbare Einsamkeit hinweg. Die verlassenen Räume und Häuser. Oberflächlichkeit.
Alles scheint möglich. Nur kurzes Innehalten. )
Dies war das Haus des Leuchtturmwärters. Ein Haus zum Wohnen und ein Leuchtturm. Signale, Ort, der Sicherheit bot. Immer zuverlässig aufrecht stehend wie ein Fels in der Brandung der Leuchtturm, klein daneben das Schutz bietende Haus. Symbole für die letzte Verlässlichkeit am Ende der Welt.
Das Haus liegt in der Weite wie ein Schiff auf hoher See.
Da ist nichts Lautes, Euphorisches. Nichts Besonderes.
Nur felsiges Plateau und tobendes Meer, die Hitze, ein kurzes Stück landeinwärts nur ein kleiner Höhenzug uralter Korallenfelsen.
Alles immer wieder: Klarheit.
Wärme, Sicherheit, einstmals einsame Geborgenheit und zugleich Transparenz und Haltlosigkeit, maroder Boden. Lebendig immer noch.
Lebendig immer noch die Höhlen, die wir lange suchen mussten, verborgen hinter Felsblöcken und Dornengestrüpp. Genauso unsagbar,.
Etwas schwang in dieser Atmosphäre. Wärme, ein Klang vielleicht. Auch wenn die zigtausende Jahre alten Malereien nicht gewesen wären. Hunderte Fledermäuse, aufgeschreckt, schwirrten aus Löchern in der Höhlendecke um meinen Kopf zum lichten röhrenartigen Ausgang hinaus und erneut herein zu unsichtbaren Ritzen.
Gnadenlos spitz bohren die grellbunten Obelisken sich in den unendlich hohen, strahlend blauen und glasklar harten Himmel. So muss er den Sklaven erschienen sein, die in den Salinen schufteten. Leuchtend pinkfarbene Flächen der Saline vor weißen Salzbergen, dunkelblauem Meer, das sich zum Ufer hin türkis färbt. Ein schmaler Streifen hellen Sandes und ein Rinnsal zwischen Pink und Türkis. Weiße Schaumsalzflocken weht der Wind herüber und die gelbe Windmühle auf einem kleinen Damm dreht sich rasend schnell. Erst auf den zweiten Blick sieht man die Flamingos. Wie schön.
Wie schön die Flamingos im Rosa oder Grün, wenn man zwischen den orangefarbenen Hütten stehend sie beobachtet. Oder auch den weißen; nicht viel größer als ordentliche deutsche Hundehütten. In denen schliefen die Sklaven, ein Fenster zur Saline, die Türöffnung zum Meer, dem gehassten und geliebten.
Ein halbes Jahr später, auch im Ergebnis der Arbeit an den Bildern, veränderte sich der Blickwinkel. Die Insel begann eigene Fragen zu stellen.
Insel – Isolation – Iss - ICH.
Eingebettet in das Meer, sichtbar nur die Oberfläche, nicht aber die Wurzel, der Boden, aus welchem alle Inseln sich erheben und der sie alle vereint, ihre Isolation zu einer scheinbaren macht. Alles wird zu einem großen einzigen Organismus. Vielleicht ist es dieses Empfinden (Bewusstsein), was wir verloren haben?
Zeit verliert ihre Bedeutung angesichts jahrtausende alter Malerei dicht benachbart dem Leuchtturm, wenige Kilometer entfernt vom Dorf.
Das Gefangensein auf der Insel als Bild für das Gefangensein im Ego. Ich als Verabsolutierung der Isolation, erdrückend, zerstörerisch.
Dann die Beliebigkeit, Auswechselbarkeit der Ichs, der Verlust jeder Individualität in der Wiederkehrenden Vermassung, im Klischee.
Selbst auf der Insel, im verlassensten Haus, ja selbst auf den Blättern der riesigen Agave war und ist es zu lesen: ICH war hier. Wer ist ich?
Spuren hinterlassen, um der Vergänglichkeit zu entfliehen, um irgendeine Bedeutung, einen Sinn zu haben, oder einfach aus Blödsinn. Warum machen wir Kunst seit Ewigkeiten?
Leuchtfeuer!
(Ich bin die Leuchtturmwärterin.
Ich bin das Haus.
Bin die Insel, das Meer und der Himmel.
Mit allen anderen verbunden
Und
Allein.)